Strafrecht; keine Notstandssituation für Klimaaktivistinnen und -aktivisten
Leitsätze
Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die eine Bankfiliale in Lausanne besetzt hatten und dafür wegen Hausfriedensbruchs verurteilt wurden, haben nicht in rechtfertigendem Notstand gehandelt. Das Erfordernis einer «unmittelbaren Gefahr» ist nicht erfüllt: Diese muss sich innerhalb kurzer Zeit, spätestens innerhalb von Stunden nach der strafbaren Handlung des Täters, realisieren. Ohne die Dringlichkeit der Klimaerwärmung in Frage zu stellen, bleibt festzuhalten, dass im Moment der Protestaktion keine solche Gefahr bestanden hat. Der Notstand erfasst zudem nur Handlungen zum Schutz individueller Rechtsgüter und nicht kollektiver Interessen. Ziel der Betroffenen war die Verteidigung kollektiver Interessen, namentlich der Umwelt, der Gesundheit und des Wohlergehens der Bevölkerung. Die Gesetzgebung hat die Anwendung des Notstands auf solche Sachverhalte ausgeschlossen (E. 2.1–2.5).
Auch der Putativnotstand und aussergesetzliche…
Zeitschrift URP
URP 2022 561
Publikationsart
Entscheid